Sieben Inseln

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Ein märchenhaftes Problem

Es war einmal ein junger König, dessen Königreich aus sieben Inseln bestand, die auf dem großen Ozean weit verstreut lagen. Schiffe brauchten Tage, um von einer Insel zur anderen zu segeln, bei ungüstigen Winden sogar bis zu einer Woche. Alle Inselbewohner lebten zufrieden und schätzten ihren gütigen König.

Der König und die hübsche Prinzessin Sarah waren sehr ineinander verliebt. Eines Tages beschlossen sie zu heiraten und planten ihre Hochzeit. Es sollten die schönsten Trauringe hergestellt werden, die die Welt je gesehen hat. Kunstvoll verarbeitetes Gold und Platin, Edelsteine und Diamanten sollten die Ringe schmücken.

Auf jeder der sieben Inseln lebte ein Goldschmied. Jeder von ihnen hatte sich auf ein anderes Gebiet spezialisiert. Der eine konnte zum Beispiel Goldverzierungen bearbeiten, die kleiner als Staubörnchen sind. Der andere vermochte Diamanten so zu schleifen, dass sie strahlend hell funkelten. Jeder war ein Meister seines Fachs.

Der König gab die Ringe bei dem Goldschmied in Auftrag, der auf der gleichen Insel wie er wohnte. Er trug ihm auf: "Arbeite an den Ringen mit deiner größtmöglichen Kunstfertigkeit, so weit du kannst. Dann gibt die Ringe an einen anderen Goldschmied weiter, damit er daran mit seiner Kunstfertigkeit weiterarbeite. Auch dieser soll so verfahren und die Ringe dann weitergeben, und so weiter. Die Reihenfolge der Weitergabe überlasse ich euch, da ihr am besten damit Bescheid wisst. Ich habe volles Vertrauen in euren Sachverstand. Es wäre auch in Ordnung, wenn einer von euch die Ringe zur weiteren Bearbeitung an einen Goldschied weitergibt, der sie schon zuvor bearbeitet hat. Am Schluss sollen jedenfalls die kostbarsten und schönsten Ringe entstehen, die es je gegeben hat. Wenn das erreicht worden ist, sollen die Ringe an mich geschickt werden.

Der König wollte sich schon von dem Goldschmied verabschieden, da fiel ihm noch etwas Wichtiges ein: "Seid vorsichtig, wenn ihr die Ringe von Insel zu Insel transportiert. Piraten könnten es auf die Ringe abgesehen haben. Zur Sicherheit sendet zunächst ein Schiff mit nur einem Ring. Wartet, bis es zurückkommt mit der guten Nachricht, dass der Ring heil angekommen ist. Dann sendet ein Schiff mit dem zweiten Ring."

Der König freute sich schon auf ein prächtiges Hochzeitsfest, an dem die prunkvollen Ringe getauscht werden sollen. Gerne war er bereit, auf die Fertigstellung der Kostbarkeiten zu warten.

Er wartete.

Und wartete.

Und wartete.

Seine Liebe zu Prinzessin Sarah wuchs von Tag zu Tag. Er musste aber warten. Ihm ging die Frage durch den Kopf, warum er nicht in einem andeen Jahrhundert lebte, wo man auch ohne Heirat die Zeit mit der Braut auf schönste Weise verleben kann.

Er musste warten.

Sehr lange warten.

Piraten treiben im Reich der sieben Inseln nur sehr selten ihr Unwesen, eigentlich fast nie. Aber könnte es nicht sein, dass er völlig vergebens wartete, während die Ringe schon längst gestohlen sind?

Da er ungeduldig wurde und die Ehe mit Prinzessin Sarah so sehr herbeisehnte, rief er sechs Kapitäne und einen Kutscher zu sich und sprach: "Mir würde es natürlich nichts ausmachen, noch länger auf die Ringe zu warten. Aber die Pflicht meiner Braut gegenüber gebietet mir zu handeln. Jeder von euch sechs Kapitänen soll zu einer der sechs anderen Inseln segeln, den dortigen Goldschmied nach den Ringen fragen, sodann zurückkehren und mir berichten. Sprecht euch ab, dass jeder eine andere Insel besucht. Du, Kutscher, fragst den Goldschmied auf der hiesigen Insel."

Schon nach neun Tagen waren alle zurück. Jeder hatte das Gleiche zu berichten: "Der befragte Goldschmied gab an, die Ringe bearbeitet zu haben, beteuerte aber auch, beide Ringe an einen anderen Goldschmied weitergegeben zu haben." Weder den Kapitänen noch dem Kutscher konnte einer der Ringe vorgezeigt werden

Der junge König hatte keine Zweifel an den Aussagen der Goldschmiede, der Kapitäne und des Kutschers. Alles waren grundsolide Ehrenmänner. Dem König schoss es durch den Kopf, dass die Ringe wohl von Piraten geraubt sein mussten, und zwar beide Ringe.

Ohne Ringe keine Hochzeit. Der König wurde sehr traurig, unendlich traurig, und begab sich an eine hohe Klippe seiner Insel, um sich ins Meer zu stürzen.

Im letzten Moment eilte Prinzessin Sarah zu ihm, die gerade aus der Vorlesung "Fehlertolerante Protokolle" kam. Sie rief ihrem Geliebten zu: "Halt! Sei nicht besorgt wegen den Ringen! Du hast keinen Grund anzunehmen, dass sie in Piratenhand sind. Das ganze Problem kommt nur von deiner Dummheit ... - Entschuldigung - ... von deiner sehr persönlichen Vorgehensweise in protokollarischen Angelegenheiten. Bei deinen Anweisungen hast du leider ein klitzekleines Fehlerchen gemacht."

Welches ?



Klaus Echtle, November 2001